Von den Gefahren übermäßigem Medienkonsums

 

Einmal, es ist schon ein bisschen länger her, da war Gott ziemlich zerstreut. Er hatte in der letzten Nacht zu viel Real-Life-TV gesehen und nun kam er nicht so recht auf die Beine, aber wie jeden Tag wartete mal wieder ein Haufen Arbeit auf ihn. Babys mussten auf die Erde geschickt und Verstorbene in den Himmel geholt werden, das nannte man aktives und passives Leben. Irgendwo auf der Welt sollten natürlich auch noch ein, zwei Wunder geschehen, damit keiner meckerte und die Engel, ja, die waren wichtig, die durfte er nicht vergessen. Also machte er sich an die Arbeit, verschickte Babys und verhandelte mit den Toten. Manchmal, wenn sie ihm zum Beispiel das neueste Modell einer Kaffeemaschine mitbrachten, ließ er sich überreden und die Wiederbelebungsmaßnahmen auf der Erde klappten nach 20 Minuten dann doch (das zählte dann oft als eines dieser Wunder und so hatte er weniger Arbeit). Für jedes aktive Leben brauchte man natürlich auch noch einen Engel, sonst konnte man eigentlich zu 99,9% damit rechnen, dass das aktive Leben direkt am nächsten Tag passiv vor der Tür stand. Menschen sind ja so was von ungeschickt! Wenn ein passives Leben zu Ende ging, konnte man für gewöhnlich dessen Engel nehmen und einem Baby mitgeben, aber an den meisten Tagen starben Menschen nicht eins zu eins mit den Neugeborenen. Dann musste Gott neue Engel erschaffen. Nun stand er mit verquollenen Augen müde vor seinem kleinen Kessel und warf ein wenig Wolkenstaub, Glitzerglanz und Herzblut hinein. Heute hatte er Glück, nur ein einziger Engel wurde nachgefordert. Es war nämlich Weihnachten und so wurden ebenso viele Babys gezeugt wie Leben beendet. Ziemlich makaber eigentlich, wenn man mal genau darüber nachdachte. Er rührte noch ein wenig in seinem Kessel herum, dann füllte er das Gebräu in eine Flasche, schüttelte sie und kippte den Inhalt in eine Engelsform, ungefähr so groß wie eine Fernbedienung. Die Form stellte er anschließend ins Gefrierfach. Gott rieb sich die Augen. So eine Drecksarbeit, wie gerne würde er jetzt schlafen! Könnten die Menschen nicht mal einen Tag für sich selber Sorgen? Und dieses eine Baby, das bald geboren werden würde, konnte das nicht mal für einen Tag einfach überleben? Eines von diesen 0,1%-Babys sein, die nicht direkt am nächsten Tag wieder an die Tür klopften? Gott verschränkte die Arme und grummelte vor sich hin, da machte es plötzlich plöpp und ein kleiner Teufel saß auf seiner Schulter, der ihm sagte, er könne ruhig ins Bett gehen. Eigentlich saß er nicht dort, aber Gott redete es sich später gerne ein, damit er nicht alleine die Schuld an dem darauffolgenden Desaster hatte. Jedenfalls kuschelte er sich an diesem Tag, damals, als er in der Nacht zuvor zu viel Real-Life-TV gesehen hatte, in seine Kissen und schlummerte tief ein. Den Engel im Gefrierfach hatte er ganz vergessen und auch am nächsten Tag dachte er nicht mehr daran. Irgendwann gegen Mittag kam ein kleines Eichhörnchen in seine Werkstatt. Es hatte einen unbändigen Hunger auf Eis und so stibitzte es sich die Engelsform. Mit einem Bissen hatte das Eichhörnchen den Engel aufgefuttert und huschte wieder aus der Werkstatt. So kam es, dass es also ein Baby auf dieser Welt gab, das keinen Schutzengel besaß. Tatsächlich war es, wie das Schicksal es wollte, ein 0,1%-Baby, ein Kämpfernatürchen, das nicht direkt am nächsten Tag bei Gott anklopfte. Leider hatte der weißbärtige Mann aber nur eine Liste von seinen Engeln und dementsprechend auch von den aktiven Leben, die sie bewachten. So kam es, dass er das 0,1%-Baby komplett vergaß und auch dem Weihnachtsmann, dem Osterhasen und der Zahnfee nichts von ihm sagte. Stellt euch das mal vor, wie das arme Kind jedes Jahr leer ausging! Es hatte fürwahr kein leichtes Erdendasein. Nicht nur, dass die Geschenke ausblieben, natürlich hatte es auch weder Schönheit, Klugheit oder wenigstens Improvisationstalent von seinem Engelchen vermacht bekommen, da es mittlerweile als Eichhörnchen-Pipi irgendwo im Himmel herumschwebte. Je älter das Kind wurde, desto mehr Chaos richtete es an. Es war weder geschickt, noch mutig, noch einfühlsam. Alles, was das kleine aktive Leben in Händen hielt zerbrach, sogar die Tupper-Schüsseln der Mutter. „Unkaputtbar, von wegen!“, schimpfte diese aufgebracht und schrieb eine wütende Mail an ihre Tupper-Tante. Als das Kind 12 Jahre alt war, löste es unfreiwillig eine Kettenreaktion aus. Es begann damit, das es in der Schule gegen den Feuermelder stieß, als es beim Schuhezubinden aus dem Gleichgewicht kam und umkippte, wodurch die ganze Schülermeute in wilder Panik nach draußen stürmte. Dabei wurde ein Kind überrannt, dessen Mutter die Schwester des Cousins der besten Freundin der Tante des Großvaters der Queen Elisabeth war. Diese tadelte daraufhin den Direktor der Schule, der wiederum vom Dienst suspendiert wurde, weshalb er auf die Bahamas zog, wo er von einer Feuerqualle vergiftet wurde, weswegen dann der Schulpräsident, der den Direktor der Schule suspendiert hatte suspendiert wurde und von nun an auf der Straße lebte und Briefmarken verkaufte, wobei er eine ganz besondere Briefmarke an einen anderen Bettler verhökerte, der dadurch reich wurde und jetzt Vorsitzender des Briefmarkenvereins e.V. war Dieser Vorsitzende des Briefmarkenvereins e.V. hatte eine Oma, deren zweiter Mann Soldat und leidenschaftlicher Briefmarkenverein-Hasser war, weshalb er dem Verein den Krieg erklärte und weil das vom Gesetz her nicht ging noch besser gleich dem ganzen Land (immerhin das funktionierte jedes Mal!). So kam es, dass der 3. Weltkrieg ausbrach und nur die Bahamas wurden verschont. Der ehemalige Direktor der Schule lebte glücklich bis an sein Lebensende, alle anderen klopften nach und nach bei Gott an die Tür, so dass Gott den 24-Stunden-Tag auf einen 672-Stunden-Tag ausweiten musste, um allen ein Zimmer zuweisen zu können. Hätte er doch damals nicht so viel ferngesehen…

 

 

02. Juni 2010

 

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